Rede von Swen Awiszus, SPD, anlässlich der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht

Veröffentlicht am 09.11.2020 in Unterbezirk

Der 9. November ist ein Schicksalstag in der deutschen Geschichte. Er ist unmittelbar verbunden mit unbeschreiblichem Leid und grausamsten Misshandlungen, die Jüdinnen und Juden in Bremerhaven, in Deutschland und in ganz Europa erfahren mussten.

Das Novemberpogrom in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 – heute vor 82 Jahren – ist ein grauenhafter, unauslöschlicher Bestandteil der Menschheitsgeschichte. Das, was Nazis verbrochen haben, darf nie in Vergessenheit geraten.

Auch hier, mitten unter uns, spielten sich furchtbare Szenen ab – offenkundig von langer, brauner Hand vorbereitet. SA- und SS-Kommandos begannen die Jagd auf Menschen jüdischen Glaubens. 

Zusammen zerstörten und plünderten sie Geschäfte wie das Kaufhaus Schocken. 

Sie zerschnitten Waren wie Lederjacken, gossen Tinte über Stoffe, Lebensmittel wurden durch zahlreiche Glasscherben unbrauchbar. 

Ziel war es, die Juden aus der Wirtschaft und aus der Gesellschaft zu verdrängen und sie ihres Vermögens zu berauben.

All das nahm vor 82 Jahren seinen Anfang. Aber wir brauchen leider, sehr leider, nicht so weit zurückzugehen in unserer Geschichte, um uns an Bedrängung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden in unserer Mitte zu erinnern. 

Der Anschlag von Halle am 9. Oktober vergangenen Jahres war der Versuch eines Massenmordes an Jüdinnen und Juden – an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. 

Auch im Alltag müssen viele Jüdinnen und Juden Schmähungen und Anfeindungen ertragen und manche verzichten aus Angst vor Gewalt auf das Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit. Eine große Schande, für die ich mich persönlich schäme.

Wir müssen endlich unmissverständlich dafür eintreten, dass antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Ideologien und Gedankenmuster keinen Platz haben in unserer Gesellschaft.

Rassismus und Faschismus sind keine Facette der Meinungsfreiheit, sondern ein Verbrechen. 

Das Schweigen der Mehrheit darf kein Resonanzboden mehr sein für alte und neue Nazis. Wir dürfen nicht schweigen, wenn Faschisten die Stimme erheben. Wir müssen laut und stark widersprechen, wenn sie den Anschein zu erwecken versuchen, dass sie für das Volk sprechen. 

Populismus, Hass und Hetze fordern unseren leidenschaftlichen Widerstand heraus. 

Bremerhaven ist eine weltoffene Stadt. Aber auch bei uns regen sich zarte Pflänzchen, die aus der braunen Saat aufgekommen sind. Es ist nicht nur die unbedingte Aufgabe der Regierung, der Gerichte und der Polizei, diesem Aufkommen Einhalt zu gebieten. Wir alle sind herausgefordert, das ist eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft. Ihr sollten wir uns endlich alle stellen. 

Keine Jüdin und kein Jude soll in unserer Mitte Angst haben müssen.

Immer dann, wenn wir im Kollegenkreis, im Gespräch mit Nachbarn, in der Familie, unter Freunden und in unserem Alltag Fremdenfeindlichkeit und Rassismus begegnen, müssen wir in aller Deutlichkeit widersprechen und unmissverständlich Beistand leisten. 

Das sind wir den Opfern schuldig und das ist unsere Pflicht als Menschen gegenüber unseren Brüdern und Schwestern.

 

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